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Erschrecken an einem unbequemem Ort

25.03.2022 07:00

Zum festen Unterrichtskanon im Fach Geschichte der Gemeinschaftsschule (GMS) gehört der Besuch des Konzentrationslagers Neuengamme in Stufe neun. Der Gedenkstätte gelingt es in besonderer Weise, an die NS-Verbrechen zu erinnern und Wissen über Verfolgung und Ermordung zu vermitteln.

Foto: Schüler und Schülerinnen blicken auf die Steinreihen, die die Barackenstandorte im ehemaligen Häftlingslager kennzeichnen.

Dieses Mal war der Besuch von einer besonderen Betroffenheit umgeben. Vor wenigen Monaten schien es noch unvorstellbar, dass zeitgleich mit dieser erinnerungskulturellen Exkursion nur wenige hundert Kilometer östlich von uns eine Katastrophe wütet, die unsere Reaktion, Haltung und unser Handeln fordert. „Erinnerungskultur angesichts aktueller Kriegssituation in Europa macht ihren Auftrag der Versöhnung und Friedensarbeit um so dringender“, unterstrichen die organisierenden Lehrkräfte Thomas Themsfeldt, Melanie Guse, Jan Graage und Sabine Schwartz die Gedenkstättenfahrt. Finanziell gefördert wurde die Fahrt durch die Stiftung Gedenkstätten Schleswig-Holstein. Ihr geht es um bewusste Auseinandersetzung Jugendlicher mit dem Nationalsozialismus. 

In vier Gruppen setzten sich die Schüler vor Ort mit der Geschichte des Konzentrationslagers Neuengamme von 1938 bis 1945 und auch seiner Nachgeschichte auseinander. Den vielen Fragen der Jugendlichen stellten sich die begleitenden Guides. Im Vordergrund standen die an diesem Ort begangenen Verbrechen an den aus vielen Ländern deportierten Häftlingen, die Schilderung des Alltags in Neuengamme und die Überlebensstrategien der Häftlinge. Zum historischen Ort gehört eine Ausstellung. Sie beinhaltet Biografien und Zeichnungen von Häftlingen sowie Gegenstände aus der Zeit, zum Beispiel Barackenreste, Häftlingskleidung und Alltagsgegenstände. Die Schüler waren aufgefordert, drei Biografien ihrer Wahl genauer zu betrachten. Eine Betrachtung fiel auf eine biografische Notiz eines sowjetischen Zwangsarbeiters, der als 17-Jähriger im März 1943 aus Burg/Dithmarschen seinem Freund eine Postkarte schickte. Darin klagte er über schlechte Behandlung. In der Notiz hieß es: „Wegen dieser Postkarte wurde ich verhaftet“ und „bereits nach zwölf Tagen befand ich mich in Neuengamme“. 

Erschrocken zeigten sich die Jugendlichen darüber, dass die Menschen im Konzentrationslager so viel erleiden mussten und die Verantwortlichen dafür am Ende des Krieges nur geringfügig bestraft oder sogar bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Auf Unverständnis stieß bei den Jugendlichen die Tatsache, dass die Stadt Hamburg ab 1950 Plätze früherer Häftlingslager und des gesamten KZ-Geländes durch Gefängnisse überbauen ließ. Das wirke so, als wollte man Geschichte verdrängen und vergessen, lauteten ihre Reaktionen. Erst Proteste der ehemaligen Häftlinge und öffentliche Kritik führten zu einem Umdenken der Politik. 2006 wurde das letzte Gefängnis auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers geschlossen. 

„Wir konnten heute das ehemalige KZ-Neuengamme als Erinnerungs-Gedenkstätte besuchen. Das ist wichtig, damit sich diese Geschichte nicht wiederholt“, sagten die Jugendlichen. Und gleichzeitig waren alle voller Fragen und erschrocken über die Ereignisse, nur wenige hundert Kilometer von uns entfernt.

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